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Zusammenfassung von “Lenz” von Georg Büchner 📖✨
In der Novelle folgt die Geschichte dem leidenden Protagonisten Jakob Michael Reinhold Lenz, einem Freund Goethes, der auf der Suche nach Sinn und innerem Frieden in den Gebirgen wandert. 🌄 Dabei kämpft er mit seinen Ängsten und Wahnsinn, während er auf den Pfarrer Oberlin trifft, der ihm Trost und Orientierung bietet. 🙏❤️
Die Erzählung thematisiert Einsamkeit, Glauben und die Suche nach Identität inmitten der stehenden Natur. Lenz’ innere Konflikte und sein Streben, die Trauer um seine verstorbene Mutter zu bewältigen, begleiten ihn auf seinem Weg durch die Stille des Tals. 😔🌌
Ein kraftvolles Werk über die menschliche Natur und das Streben nach Verständnis! 🌿💭 #Lenz #GeorgBüchner #Literatur #Klassiker #Seele #Psychologie #Einsamkeit
Wir präsentieren eine gekürzte Lesung der 1836 in Straßburg verfassten Novelle. Sie basiert auf dokumentarischen Beweisen aus dem Tagebuch von Jean Frédéric Oberlin. Der Protagonist der Geschichte ist Jakob Michael Reinhold Lenz, ein Freund Goethes. Im März 1776 traf er Goethe in Weimar.

Am 20. Januar geht Lenz durchs Gebirge. Die Gipfel und hohen Bergflächen sind in Schnee. Es is naßkalt. Das Wasser rieselt die Felsen hinunter und springt über den Weg. Am Himmel gibt es graue Wolken.
Er geht gleichgültig weiter. Er spürt keine Müdigkeit, nur ist es ihm manchmal unangenehm. Es gibt etwas, das ihm night aus dem Kopf geht. Er fühlt sich beängstigt.
Diese Angst drückt ihm auf die Brust. Lenz sucht einem verlorenen Traum, aber er dindet nichts. Er richtet sich nach Waldbach, dort wohnt Oberlin, der Pfarrer des Tals. Er braucht so viel Zeit, um jeden Abhang herab su steigen…
Manchmal fühlt er die Angst in der Brust und hustet plötzlich. Er biegt den Körper vorwärts und öffnet Augen und Mund weit. Das geschieht, wenn der Sturm in das Tal kommt. Auch wenn die Lärme des Gebirges aufwachen. Da dringt sich die Welt in seinen Körper ein, und die Angst in seine Brust. Kurz danach stecht er still und legt den Kopf ins Moos. Später erhebt er sich nüchtern, fest, ruhig.
Gegen Abend kommt er auf die Höhe des Gebirges. Er setzt sich nieder, weil er müde ist. Alles ist ruhiger geworden: die Wolken bleiben fest und unbeweglich am Himmel. Er sieht nicht mehr als Gipfel und breite Flächen. Alles ist still und grau.
Er fühlt sich entsetzlich einsam, er ist allein, ganz allein. Er will mit sich sprechen, aber er kann nicht. Er wagt kaum zu atmen. Das Bewegen seiner Füße ertönt wie ein Donner unter ihm. Er ist inmitten der Leere! Er steht auf und rennt Abhang hinunter.
Lenz kommt in Waldbach und lernt Oberlin kennen
Es ist schon finster geworden. Himmel und Erde verschmelzen in eins. Endlich hört er Stimmen un sieht Lichter. Es wird ihm schon besser, und die Angst ist verschwunden. Er kommt in ein Dorf. Lenz fragt einen Mann: “Ist Waldbach weit weg?”, der Mann antwortet ihm: “Es ist eine halbe Stunde weit von hier.”
Lenz geht durchs Dorf. Die Lichter scheinen durch die Fenster, und er sieht hinein im Vorbeigehen. Er sieht Kinder am Tisch, alte Frauen und Mädchen, alle haben ruhige, stille Gesichter. Es ist ihm schon besser, da er bald in Waldbach im Pfarrhaus sein wird.
Endlich kommt er nach Waldbach. Er geht in das Pfarrhaus. Oberlin und seine Familie sitzen am Tisch. Lenzens blonde locken hängen ihm an beiden Seiten des Gesichts herunter, und seine Kleider sind zerrissen.
Oberlin heißt ihn willkommen. Er hält ihn für einen Handwerker: “Seien Sie willkommen.” “Ich bin ein Freund von Kaufmann und bringe Ihnen Grüße von ihm.” “Und wie heißen Sie?” “Lenz.” “Habe ich nicht etwa einige Dramen gelesen, die einem Herrn dieses Namens zugeschrieben werden?” “Ja, aber beurteilen Sie mich nicht danach.”
Sie sprechen weiter. Nach und nach wird Lenz ruhig und sieht das Zimmer an. Es ist ein gemütliches Zimmer. Er fängt an, von siner Heimat zu erzählen.
Die ersten Symptome von Lenzen’s Wahnsinn
Endlich ist es Zeit zu gehen. Man führt ihn über die Straße. Das Pfarrhaus ist zu klein, so gibt man ihm ein Zimmer in der Schule. Er geht hinauf. Es ist kalt oben. Es ist eine weite Stube, leer, mit einem hohen Bett im Hintergrund.
Er erinnert sich an den Tag, an dem angekommen ist, wo er gewesen ist. Alles ist ihm dunkel wie ein Schatten, wie ein Traum. Es fühlt sich nochmal leer, wie auf dem Berg. Aber er kann diese Leere nicht ausfüllen. Das Licht der Kerze ist erloschen, und die Finsternis verschlingt alles. Eine schreckliche Angst beherrscht ihn.
Er springt auf, läuft durchs Zimmer und geht die Treppe hinunter. Aber alles ist finster.
Viele Gedanken huschen durch seinen Kopf. Lenz versucht, sie festzuhalten und wiederholt ständig “Vater unser”, aber er weiß nicht, wo er ist. Er stößt an einen Stein. Er zerkratzt sich mit den Nägeln. Der Schmerz fängt an, ihm das Bewußtsein wiederzugeben. Er stürzt sich in ein Wasserbecken, aber das Wasser ist nich tief, und er plätschert darin.
Da kommen Leute. Sie haben ihn gehört und rufen ihm zu. Oberlin kommt gelaufen. Lenz kommt wieder zu sich und bekommt das ganze Bewußtsein seiner Lage wieder. Es ist ihm nochmal gut. Jetzt schämt er sich, dass er die gute Leute erschreckt hat. Er sagt ihnen: “Ich bin gewohnt, in kaltem Wasser zu baden.” Plötzlich steht er auf. Endlich läßt ihn die Erschöpfung ruhen.
Die Nacht is der Feind von Lenz
Am nächsten Tag geht es Lenz besser. Er begleitet Oberlin durchs Tal. Die Leute grüßen sie im Vorbeigehen.
Oberlin und Lenz gehen in den Hütten. Alle drängen sich um Oberlin, und er berät sie. Oberlin ist unermüdlich, und Lenz begleitet ihn ständig. Die Natur wirkt wohltätig und beruhigend auf ihn. Er sieht Oberlin oft in die Augen, dies erfüllt ihn mit Stille. Oberlin ist schüchtern, aber das stört ihn nicht.
Gegen Abend gehen Oberlin und Lenz nach Waldbach zurück, aber Lenz ist nicht mehr ruhig. Nur solange das Licht im Tale liegt, bleibt Lenz ruhig. Eine sonderbare Angst befällt ihn. Die Gegenstände werden schattiger. Alles ist ihm zuwider vor, wie ein Alptraum. Die Furcht kommt es ihn an. Er ist wie ein Kind, das die Dunkelheit fürchtet. Er ist wieder beängstigt, sieht Erscheinungen vor sich. Er steht auf, aber er kann sie nicht ergreifen. Er muß hinaus ins Freie gehen. Die grelle Wirkung des Wassers macht ihm besser, deshalb badet er nochmal im kalten Wasser.
Aber je mehr er sich in das Leben des Tals hineinlebt, desto ruhiger ist er. Lenz hilft Oberlin, zeichnet auch und liest die Bibel. Einmal erzählt ihm Oberlin seine Annäherung an Gott: “Ich fiel aus eine Brücke. Eine unsichtbare Hand hielt mich. Ich sah einen grellen Glanz auf der Höhe, hörte eine Stimme und wendete mich an Gott. Seitdem kann ich die Heiligen Schriften begreifen.”
Lenz will predigen
Eines Morgens geht er spazieren. Während der Nacht hat es geschneit, und im Tal liegt ein helles Licht. Lenz kommt bald vom Weg ab und geht eine sanfte Höhe hinauf neben einem Tannenwald. Es gibt keine Spur von Fußtritten. Der Schnee ist leicht, und hie und da sieht man Spuren von Hirschen auf dem Schnee, die sich ins Gebirge richten. Es gibt keine Bewegung in der Luft, nur ein Vogel stäubt leicht die Flocken vom Schwanz.
Alles ist still. Nach und nach dringt er in den Wald ein. Die Natur schützt ihn vor seiner Angst. Er ist von einförmigen Flächen und Linien umgegeben. Ein Glücksgefühl überfällt ihn. Manchmal glaubt er, daß er seine Mutter sieht. Sie tritt hinter einem Baum hervor und sagt ihm: “Ich habe dir dies alles geschenkt: die Natur, die Stille, das Licht…”
Dann geht Lenz hinunter bis zum Dorf. In seinem Schatten gibt es ein Regenbogen von Strahlen. Er hat ein neues Gefühl, etwas hat ihn an der Stirn berührt, ein Wesen spricht ihn an. Endlich kommt er in Waldbach an. Oberlin ist im Zimmer. Lenz kommt heiter herein und richtet sich an Oberlin. Er sagt ihm: “Ich will einmal predigen.” “Sind Sie Theologe?” “Ja!” “Gut, dann können Sie nächsten Sonntag predigen.”
Lenz geht vergnügt auf sein Zimmer und denkt an einen Text für die predigt. Er verwendet seine Nächte auf Sinnen. Jetzt werden seine Nächte ruhiger.
Der Sonntagmorgen kommt. Tauwetter hat angefangen. Die Kirche befindet sich in der Nähe, am Berg hinauf, auf einem Vorsprung. Sie ist vom Kirchhof umgegeben. Lenz ist oben, in der Kirche. Die Glocke läutet, und die Kirchengänger kommen von verschiedenen Wegen. Die Frauen und Mädchen in ihren ernsten schwarzen Trachten tragen ein weißes gefaltetes Tuch im Gesangbuch. Manchmal tritt das Sonnenlicht in das Tal ein, und die laue Luft regt sich langsam. Auf dem kleinen Kirchhof ist der Schnee weg. Es gibt Moos unter den schwarzen Kreuzen, einen Rosenstrauch und andere späte Blumen an der Kirchhofmauer.
Die Messe fängt an. Die Stimmen der Gemeinde begegnen sich in reinen hellen Klang. Der Gesang verhallt. Lenz spricht schüchtern. Seine ganze Angst wacht noch einmal auf. Jetzt legt sie sich in sein Herz. Ein süßes Gefühl unendlichen Wohls beschleicht ihn. Er spricht einfach it der Gemeinde, und sie leiden alle mit ihn. Das ist für Lenz ein Trost: er bringt Stille an den Gequälten. Seine Stimme wird fester am Ende seiner Rede.
Die Mutter von Lenz stirbt
Nach der Messe erschüttert ihn alles, und er geht auf sein Zimmer. Er hat ein neues Gefühl: Göttliche Lippen beugen sich über ihm nieder und saugen sich an seine Lippen. Er wacht in seinem einsamen Zimmer auf. Er ist allein, allein! Da hört er die Quelle rauschen. Die Tränen quellen aus seinen Augen, und seine Glieder zittern. Er kann das Ende dieses Schmerzes nicht finden.
Endlich wird er sich darüber klar; er empfindet ein leises tiefes Mittleid mit sich selbst. Sein Kopf sinkt auf seine Brust, und er schläft ein. Er sieht der Vollmond am Himmel. Die Locken fällen ihm über die Schläfe und das Gesicht, die Tränen hängen ihm an den Wimpern und trocknen auf den Wangen. So liegt er da allein. Alles ist ruhig, still und kalt. Der Mond schint die ganze Nacht und steht über den Bergen.
Am folgenden Morgen geht er aus seinem Zimmer. Er spricht ganz ruhig mit Oberlin und erzählt ihm seinen Traum der vorhergehenden Nacht: “Meine Mutter ist vor mir erschienen. Sie ist in einem weißen Kleid aus der dunklen Kirchhofmauer hervorgetreten. Sie hatte eine weiße und eine rote Rose an der Brust gesteckt. Gleich danach hast sie in ein Grab an einer Ecke gedrängt, und Rosen sind langsam über sie gewachsen. Sie ist gewiß gestorben.”
Lenz ist ganz ruhig. Oberlin erzählt ihm: “Als mein Vater starb, war ich allein auf dem Feld. Während seines Todes hörte ich eine Stimme. So wußte ich es: mein Vater war gestorben. Und als ich nach Haus kam, war es so.” Oberlin spricht weiter von den Leuten im Gebirge. Er erzählt ihm von den Mädchen, die das Wasser und das Metall under der Erde fühlen. Und von Männern, die gegen die Geister kämpfen.
Lenz sagt ihm auch: “Einmal war ich im Gebirge. Ich sah in ein tiefes Bergwasser. Plötzlich kam ich in eine Art von Somnambulismus. Der Geist des Wassers war über mich gekommen.” Lenz ist von der Natur besessen. Er fährt weiter fort: “Die einfachste, reinste Natur vereinigt sich mit der elementaren. Einige Menschen fühlen und leben in einer geistigen Art und verlieren den Sinn für die elementare Natur, deshalb haben sie keine Seele für Steine, Metalle, Wasser und Pflanzen. Sie können nicht jedes Wesen in der Natur in sich aufnehmen.”
Ein anderes Mal zeigt ihm Oberlin Farbtafeln und erklärt ihm die Beziehung zwischen Farben und Menschen. Dann bringt er zwölf Apostel heraus: jeder durch eine Farbe repräsentiert. Oberlin erklärt ihm die Beziehung zwischen der Natur und den Heiligen Schriften. Lenz versteht es und fängt an, die Apokalypse und die Bibel zu lesen.
Der Idealismus gefällt Lenz nicht
Um diese Zeit kommt Kaufmann. Anfangs ist Lenz das Zusammentreffen unangenehm, da er sich ein eigenes kleines Plätzchen im Tal zurechtgemacht und ein bißchen Ruhe erreicht hat. Und jetzt kommt Kaufmann, der ihm viele Erinnerungen bringt. Ohne diese Erinnerungen geht es Lenz viel besser. Kaufmann kennt sein Verhältnis, deshalb will Lenz nicht mit ihm sprechen.
Oberlin weißt von dies alles nichts. Er hat Lenz in seinem Haus aufgenommen und ihn gepflegt. Für Oberlin ist Lenz eine Schickung Gottes. Er liebt ihn herzlich.
Am Tisch ist Lenz wieder in guter Stimmung. Man spricht von Literatur, und er befindet sich auf seinem Gebiet. Die idealistische Periode fängt damals an, und Kaufmann ist ein Anhänger von dieser Periode. Lenz widerspricht ihm heftig. Er sagt: “Die Dichter bieten die Wirklichkeit an, das sagt man. Aber sie kennen kaum die Natur. Jedoch sind sie erträglicher als andere Künstler, welche die Wirklichkeit verklären wollen.”
Dann sagt er weiter: “Der liebe Gott hat die Welt wohl gemacht. Sie ist, wie sie sein soll. Wir können nicht etwas anderes beschreiben, das schlechter als die Welt ist. Etwas, das in der Natur nicht existiert. Unser einziges Bestreben soll sein, sie nachzubilden. Ich verlange in allem Leben: es muß Leben in den Gedichten, in der Musik geben, nur dann sind sie gut. Wir müssen nicht die Schönheit gegen die Häßlichkeit suchen. Das einzige Kriterium der kunst muß das Leben sein. Die Kunst soll sich nicht mit der Schönheit sondern mit dem Leben beschäftigen. Heutzutage begegnet man dem Leben nur selten in der Kunst: wir finden es in Shakespeare, in den Volksliedern, in Goethe. Alles übrige kann man ins Feuer werfen.
“Der Idealismus unterschätzt die menschliche Natur. Die Natur ist Kunst. Gestern ging ich in das Tal. Ich sah zwei Mädchen auf einem Steine sitzen: die eine band ihr Harr, die andere half ihr. Dieses Bild ist schöner als alle die Bilder der altdeutschen Schule. Manchmal will man so ein Bild in Stein, in eine Statue verwandeln. Dann standen die Mädchen auf, und so wurde die schöne Gruppe zerstört. Aber während sie hinabstiegen, zwischen den Felsen, war es wieder ein anderes schönes Bild.
“Die schönsten Bilder gruppieren und lösen sich auf. Die Schönheit ist unendlich, sie ist ewig. Aber man kann sie nicht immer festhalten und in Museen stellen. Der Kunstler muß die Menschheit lieben. Niemand ist zu unterwürfig, zu häßlich für die Kunst.”
Kaufmann antwortet ihm: “Jedoch kann mann in der Wirklichkeit keine Typen für einen Apoll von Belvedere oder eine Raffaelische Madonna finden.” “Was liegt daran”, versetzt Lenz, “ich fühle kein Leben bei diesen Bildern. Diese Art von Kunstler gefallen mich nicht. Der Dichter und Bildende ist mein Lieblingskünstler. Er gibt mir die wirkliche Natur, mit seinem Gebild ich fühle sie. Alles übrige stört mich.
“Das Leben befindet sich in Texten wie dem Neuen Testament. Nur zwei Bilder aus dem den Neuen Testament haben mich beeindrückt. Es sind zwei Bilder von Niederländern. Eins ist Christus und die Jünger von Emmaus: es stellt ein trüber Abend, ein einförmiger roter Streifen am Horizont dar, die Straße ist halbfinster. Da kommt ein Unbekannter zu ihnen. Sie sprechen. Plötzlich bricht der Unbekannter das Brot. Dann erkennen sie ihn.
“Das andere Bild stellt eine Frau dar: sie sitzt in ihrer Kammer. Sie hat das Gebetbuch in der Hand. Die Frau hat nicht zur Kirche gehen können. Sie verrichtet die Andacht zu Haus. Das Fenster ist offen. Die Frau sitzt dem Fenster zugewandt. Die Glockentöne und die Lieder von der nahen Kirche fliegen durch das Fenster hinein, und die Frau liest den Text.”
Kaufmann bring einen Botschaft für Lenz
In der Art spricht er weiter. Er ist rot geworden über dem Reden. Bald lächelt er, bald ist er ernst. Er schüttelt seine blonden Locken. Nach dem Essen nimmt ihn. Kaufmann beiseite. Er hat Briefe von Lenzens Vater erhalten. Sein Vater will ihn sehen. Er ist allein, da seine Mutter gestorben ist. Er begehrt Hilfe, Schutz.
Kaufmann sagt ihm: “Hier hast du dein Leben verschleudert. Du hast es unnütz verbracht. Du sollst dir ein Ziel stecken.” Lenz fährt ihn an: “Von hier weggehen? Nach Haus? Du kennst mich. Ich kann die Angst nirgends aushalten als hier, in der Gegend. Ich brauche manchmal auf einen Berg hinaufzugehen, das Tal, die Gegend sehen zu können, durch den Garten gehen, zum Fenster hineinsehen, mit Oberlin sprechen. Sonst werde ich wahnsinning, wahnsinning! Laßt mich in Ruhe! Ich will nur ein bißchen Ruhe! Hier geht es mir gut! Jetzt ist es mir die Angst erträglich. Ich will hier bleiben.” Es wird heftig, und Kaufmann geht. Lenz ist verstimmt.
Oberlin verreist mit Kaufmann
Am folgenden Tag will Kaufmann weggehen. Er geht in die Schweiz. Er fragt Oberlin: “Herr Pfarrer, wollen Sie mich auf meiner Reise begleiten?” Oberlin stimmt zu. Sie mussen einen Tag länger in Waldbach bleiben wegen der Vorbereitungen.
Das ruft in Lenz eine große Angst hervor. Alles erschreckt, er zittert, das Haar sträubt sich ihm. Alles verlangt eine große Anstrengung von ihm. Er ist erschöpft und denkt nur an Oberlin. Dann fühlt er eine große Ruhe. Die Worte von Oberlin, sein Gesicht tuen ihm unendlich wohl. So wartet er mit Angst auf seine Abreise.
Lenz lernt die Gebirgmänner kennen
Es ist Lenzen unheimlich. Das Wetter ist jetzt milder geworden. Er beschließt, Oberlin und Kaufmann ins Gebirge zu begleiten. Auf der anderen Seite trennen sie sich. Dort öffnet sich eine große Ebene. Lenz geht allein zurück. Er durchstreicht das Gebirge in verschiedenen Richtungen. Vor ihm die weite Ebene. Es gibt keine Spur von Menschen, keine verlassene Hirtenhütte.
Lenz wird ruhig und schaut auf den Horizont. Alles verschmilzt zu in einer Linie zwischen Himmel und Erde. Manchmal sitzt er. Dann geht er wieder, aber langsam, träumend. Er sucht keinen Weg.
Gegen Abend kommt er an einen bewohnten Hütte. Die Tür ist verschlossen. Er geht ans Fenster und sieht ein Lichtschimmer von einer Lampe, die nur einen Punkt erhellt. Ihr Licht fällt auf das bleiche Gesicht eines Mädchens. Sie hat die Augen halb geöffnet und bewegt die Lippen in der Stille. Weiter weg im Dunkel sitzt eine alte Frau. Sie singt aus einem Gesangbuch mit schnarrender Stimme. Lenz klopf eine lange Weile ans Fenster. Endlich öffnet die alte Frau.
Lenz geht in die Hütte hinein. Die alte Frau trägt ihm Essen auf und weist ihm eine Schlafstelle an. Inzwischen singt sie ständig ihr Lied. Das Mädchen hat sich nicht gerührt.
Einige Zeit darauf kommt ein Mann herein. Er ist lang und hager, mit einigen grauen Haaren und unruhigem, verwirrtem Gesicht. Er tritt zum Mädchen. Sie zuckt auf und wird unruhig. Er nimmt ein getrocknetes Kraut von der Wand un legt es auf die Hand des Mädchens. Sie wird ruhiger und flüstert einige verständliche Worte. Er erzählt ihr etwas. Er hat eine Stimme im Gebirge gehört, und gleich danach hat er über den Tälern ein Wetterleuchten gesehen. Das Wetterleuchten hat ihn angefaßt, und der Mann hat gegen es gekämpft. Es war ein Geist.
Der Mann wirft sich nieder und betet leise mit Inbrunst. Dann geht er ins Bett.
Lenz schläft träumend ein. Er erinnert an die Erklärungen von Oberlin: dieser Mann muß ein Gebirgsmann sein. Im Schlaf hört er das Ticken der Uhr. Er hört das leise Singen des Mädchens. Die Stimme der Alten ertönt. Er hört das Sausen des Windes, bald näher, bald ferner. Er träumt vom Mond, bald hell, bald verborgen. Das wechselnde Licht des Mondes kommt in die Stube wie in einem Traum herein.
Plötzlich werden die Töne lauter. Das Mädchen redet deutlich und bestimmt zu ihm. Sie sagt ihm: “Auf der Klippe gegenüber steht eine Kirche.” Lenz sieht auf. Sie sitzt mit weitgeöffneten Augen aufrecht hinter dem Tisch. Der Mond wirft sein stilles Licht auf ihre Züge. Sie hat einen unheimlichen Glanz. Endlich schläft Lenz tief ein.
Er erwacht früh. In der Stube schlafen alles. Auch das Mädchen ist ruhig geworden. Sie liegt zurückgelehnt, die Hände unter der linken Wange. Das Geisterhafte aus ihren Zügen ist verschwunden, und jetzt hat sie einen Ausdruck von unbeschreiblichem Leiden. Sie fühlt die gleiche Angst wie Lenz, deshalb kann er sie verstehen.
Lenz tritt ans Fenster und öffnet es. Die kalte Luft des Morgens schlägt ihm entgegen. Das Haus liegt am Ende eines schmalen, tiefen Tales. Rote Strahlen durchqueren den grauen Himmel des Morgens. Das Tal liegt im weißen Rauch. Die grauen Steine strahlen, und das Licht trifft in die Fenster der Hütten.
Der Mann wacht auf und fängt an, die Lippen zu bewegen. Er betet leise, dann laut. Indem kommen Leute zur Hütte herein. Sie werfen sich schweigend ihm nieder vor ihm. Das Mädchen erschüttert sich. Die Alte singt ihr Lied mit schnarrender Stimme und plaudert auch mit den Nachbarn.
Man erzählt Lenz die Geschichte des Mannes: “Der Mann kam vor langer Zeit in die Gegend, man weiß nich woher. Er steht im Ruf eines Heiligen. Er sieht das Wasser unter der Erde und kann Geister beschwören. Jetzt wallfahrt man zu ihm.” Lenz stellt mehr Fragen über den Mann, aber man weiß nich mehr von ihm.
Er geht weg mit einigen Holzhauern. Sie gehen in die Gegend. Es tut ihm wohl, Gesellschaft zu haben. Jetzt ist es Lenz unheimlich neben diesem gewaltigen Mann. Auch fürchtet er sich vor sich selbst in der Einsamkeit.
Seine Freundschaft mit Madame Oberlin beginnt
Er kommt in sein Zimmer. Die verflossene Nacht hat einen gewaltigen Eindruck auf ihn gemacht. Eine unerbittliche gewalt wühlt in ihm. Er wühlt in sich. Er ißt ein wenig und verbringt die Hälfte der Nächte im Gebet und fieberhaften Träumen. Dann fühlt er sich erschöpft, zerschlagen und liegt in heißen Tränen.
Plötzlich fühlt er eine Stärke. Er erhebt sich kalt und gleichgültig. Alles strömt wieder zusammen. Die Erinnerungen an seinen alten Zustand durchzucken ihn. Später geht es ihm wieder besser.
Während des Tags ißt er gewöhnlich unten im Eßzimmer. Madame Oberlin begleitet ihn ab und zu Lenz zeichnet, malt, liest, greift nach jeder Zerstreuung. Er macht alles hastig und geht von einer Sache zu der anderen. Aber jetzt schließt er sich besonders Madame Oberlin an. Sie sitzt dort. Sie hat das schwarze Gesangbuch vor sich. Sie stellt sich neben eine Pflanze, mit dem jüngsten Kind zwischen den Knien.
Die Tür ist halb offen. Plötzlich hört Lenz die Magd. erst hört er nur wie ein Gemurmel. Dann kommen die Worte:
“Auf dieser Welt habe ich kein Freund,
ich hab mein Schatz, und der ist weit.”
Das Lied der Magd berührt das Herz Lenzen. Madame Oberlin beobachtet ihn. Lenz hat sich in die Magd verliebt. Er kann nicht mehr schweigen und muß davon sprechen. “Liebe Madame Oberlin, was macht die Mgd? Ihr Schicksal liegt mir so zentnerschwer auf dem Herzen…” “Aber Herr Lenz, ich weiß es nicht.”
Da schweigt er wieder und geht hastig im Zimmer auf und ab. Dann fängt er wieder an: “Sehn Sie, ich will gehen. Gott! Nur mit Ihnen, mit ihrem Mann und ihrer Familie, kann ich meine Angst aushalten. Jedoch muß ich weg. Ich muß zu ihr… zur Magd. Aber ich darf nicht.” Er ist heftig bewegt und geht spazieren.
Gegen Abend kommt Lenz. Es dämmert in der Stube. Er setzt sich neben Madame Oberlin und sagt ihr: “Sehen Sie”, fängt er wieder an, “die Magd geht durchs Zimmer und singt für sich. Jeder ihrer Tritte ist Musik für mich. Es gibt soviel Glück in ihr. Ihr Glück strömt in mich über. Wenn ich sie ansehe, bin ich immer ruhig. Das Leben hat keine Bedeutung ohne sie! Aber ich kann sie mir nich mehr vorstellen. Ihr Bild läuft mir fort, und dies martert mich.”
Lenz spricht oft mit Madame Oberlin davon. Meist spricht er in abgebrochenen Sätzen. Sie weißt wenig zu antworten. Aber nur das macht, daß Lenz sich besser fühlt.
Lenz versucht, ein Kind zu beleben
Unterdessen geht er fort mit seinen religiösen Quälereien. Je leerer, je kälter, je sterbender er sich innerlich fühlt, desto mehr drängt es ihn, eine Glut in sich zu Wecken. Es kommen ihm Erinnerungen an andere Zeiten. Dann bedrückt ihn alles. Die Angst kommt zurück. Er fühlt sich tot und verzweifelt an sich selbst.
Am 3. Februar hört er ein Gerede. Ein Kind ist in Fouday gestorben. Er hieß Friederike. Lenz ist von dieser Tat besessen, zieht sich in sein Zimmer zurück und fastet einen Tag.
Am 4. tritt er plötzlich ins Eßimmer. Er richtet sich an Madame Oberlin. Er hat sich das Gesicht mit Asche beschmiert und fordert einen alten Sack. Madame Oberlin erschreckt. Man gibt ihm, was er verlangt. Lenz wickelt den Sack um seinen Körper, wie ein Büßender und nimmt den Weg nach Fouday.
Die Leute im Tal sind ihn schon gewohnt. Man erzählt allerlei Seltsames von ihm. Er kommt ins Haus des Kindes. Dort befindet sich seine eiche. Die Leute gehen gleichgültig ihrem Geschäft nach. Man zeigt ihm eine Kammer. Das Kind liegt im Hemd auf Stroh, auf einem Holztisch.
Lenz schaudert und berührt die kalten Glieder des Kindes. Er sieht seine halbgeöffneten gläsernen Augen. Das Kind kommt ihm so verlassen vor… Er fühlt sich so allein, so einsam.. Er wirft sich über die Leiche. Der Tod erschreckt ihn, und ein heftiger Schmerz erfaßt ihn.
Er betet mit Trostlosigkeit. Jetzt zweifelt er an der Existenz Gottes. Er wünscht sich, ein Zeichen Gottes zu bekommen, um das Kind zu beleben. Dann sinkt er ganz in sich. Er sitzt starr während einer Weile. Plötzlich steht er auf, faßt die Hände des Kindes und spricht laut und fest zu ihr: “Stehe auf und wandle!” Aber die Wände geben ihm nüchtern den Ton zurück. Der Widerhall verspottet ihn. Die Leiche bleibt kalt. Dann stürzt er halb wahnsinnig nieder, steht auf und geht ins Gebirge.
Lenz hört auf, an Gott zu glauben
Die Wolken bewegen sich rash über den Mond. Bald ist alles im Finstern, bald sieht man die nebelhafte Landschaft im Mondschein. Er rennt auf und ab. In seiner Brust ist ein Triumphgesang der Hölle. Der Wind klingt wie ein erschreckendes Lied. Er kommt auf die Höhe des Gebirges, ein ungewisses Licht erleuchtet das Tal.
Lenz lacht laut. Mit dem Lachen überkommt ihn der Atheismus. Gott hat ihn vorhin bewegt, aber Lenz glaubt nicht mehr an ihn. Es friert ihn und will zu Bett gehen. Er geht durch die unheimliche Dunkelheit. Alles ist ihm leer und hohl. Er geht nach Waldbach zurück und geht zu Bett.
Am folgenden Tag befällt ihn eine entsetzliche Furcht vor seinem Zustand des vorhergehenden Tages. Jetzt steht er gegen einen Abgrund. Eine wahnsinnige Lust treibt ihn immer wieder zu diesem Abgrund. Diese Qual wiederholt sich noch einmal. Da steigert sich seine Angst.
Einige Tage darauf kommt Oberlin aus der Schweiz zurück. Er kommt viel früher als erwartet. Lenz fühlt sich darüber betroffen, aber später wird er wieder heiterer. Oberlin erzählt ihm von seinen Freunden im Elsaß. Unterdessen geht Oberlin im Zimmer hin und her. Er packt aus und legt seine Sachen hin.
Oberlin kennt die Wünsche des Vaters Lenzen. Lenz muß die Wünsche seines Vaters erfüllen, das meint Oberlin. Er muß seinem Beruf gemäß leben und heimkehren. Oberlin sagt ihm: “Ehre Vater und Mutter!” und dergleichen mehr.
Das Gespräch beängstigt Lenz nochmal. Er stößt tiefe Seufzer aus. Tränen quellen ihm aus den Augen. Er spricht abgebrochen: “Ich halt es nicht aus. Wollen Sie mich verstoßen? Nur in Ihnen ist der Weg zu Gott. Aber ich glaube nicht mehr an ihn! Ich bin in die Hölle abgefallen. Ich bin verdammt für die ganze Ewigkeit.” Oberlin sagt ihm: “Jesus ist dafür gestorben. Wenden Sie sich an ihn, seien Sie an seiner Gnade beteiligt.”
Lenz verwechselt die Magd und Friederike
Lenz erhebt den Kopf, ringt die Hände und sagt: “Ach, göttlicher Trost!” Plötzlich fragt er freundlich: “Was macht die Magd?” Oberlin sagt: “Ich weißt davon nichts. Ich have sie nicht gesehen. Aber ich will ihnen helfen. Was möchten Sie von Ihr wissen?” Lenz antwortet nichts als gebrochene Worte: “Ach! Ist sie tot? Lebt sie noch? Der Engel! Sie liebte mich… ich liebte sie. Sie war würdig meiner Liebe… o der Engel! Verfluchte Eifersucht, ich habe sie aufgeopfert… sie liebte noch einen andern… ich liebte sie. Sie was würdig meiner Liebe… Auch sie liebte mich… ich bin euer Mörder!”
Oberlin ist verwirrt, aber bald fängt er an, den neuen Zustand von Lenz zu verstehen. Er ist in die Magd verliebt. Jedoch kennt Oberlin die Geschichte des toten Kindes in Fouday nicht. Oberlin besteht darauf: “Bekehren Sie sich zum Christentum. Ihr Gebet und Ihre Tränen können der Magd und Ihnen selbst helfen.” So wird Lenz nach und nach ruhiger. Er geht wieder an sein Malerei.
Den Nachmittag kommt Lenz wieder. Seine linke Schulter ist nackt. In der Hand hat er ein Bündel Gerten. Er reicht Oberlin die Gerten und begehrt von ihm, ihn damit zu schlagen. Oberlin nimmt die Gerten aus seiner Hand. Dann drückt ihm einige Küsse auf den Mund und sagt ihm: “Dies sind die Streiche, die ich Ihnen zu geben habe. Seien Sie ruhig, machen Sie Ihre Sache mit Gott allein aus. Alle möglichen Schläge werden keine einzige Ihrer Sünden tilgen. Dafür hat Jesus schon gesorgt, so wenden Sie sich zu ihm.” Lenz geht.
Lenz leidet mehrere Wahnsinn Anfälle
Während des Abendessen ist Lenz wie gewöhnlich etwas tiefsinnig. Doch spricht er unsicher von verschiedenen Sachen. Um Mitternacht wird Oberlin durch ein Geräusch geweckt. Lenz rennt durch dem Hof und ruft mit hohler, harter Stimme den Namen Friederike. Er rennt schnell, verwirrt und verzweifelt. Er stürzt sich in das Wasserbecken und plätschert darin. Er geht aus dem Wasser und herauf in sein Zimmer und dann wieder herunter in das Wasserbecken. Und so mehrmals.
Endlich wird er ruhig. Die Mägde hören ihn, da sie in der Kinderstube unter seinem Zimmer schlafen. Sie sagen zu Oberlin: “Wir haben mehrmals diesen Lärm gehört, besonders aber in selbiger Nacht. Es ist wie eine Haberpfeife. Aber es ist ein Winseln, eine hohle, fürchterliche, verzweifelnde Stimme.”
Am folgenden Morgen kommt Lenz lange nicht hinunter. Endlich geht Oberlin auf sein Zimmer hinauf. Lenz liegt auf dem Bett, ruhig und unbeweglich. Oberlin stellt ihm viele Fragen, aber Lenz antwortet nicht.
Endlich sagte er: “Ja, Herr Pfarrer, sehen Sie, die Langeweile! O, ich bin so langweilig! Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Ich habe schon allerlei Figuren an die Wand gezeichnet.” Die Langeweile ruft ihm Wahnsinn Anfälle hervor. Oberlin sagt ihm: “Wenden Sie sich zu Gott.” Plötzlich lacht Lenz und sagt: “Ich bin nicht glücklich wie Sie. Ich finde keinen behaglichen Zeitvertreib in Gott. Die Leute beten aus Langeweile. Ich kann nicht. Ich fühle nichts. Alles ist zu langweilig!”
Oberlin blickt ihn unwilling an und will gehen. Lenz rennt schnell ihm nach. Gleichzeitig sieht er ihn mit unheimlichen Augen an: “Sehn Sie, Herr Pfarrer. Ich fühle mich nochmal beängstigt. Ich kann nicht unterscheiden, ob ich träume oder wache. Das ist sehr wichtig für mich, das beängstigt mich.” Dann geht er schnell ins Bett zurück.
Lenz versucht, sich selbst umzubringen
Am Nachmittag will Oberlin in der Nähe einen Besuch machen. Seine Frau ist schon fort. Er ist im Begriff wegzugehen, als jemand an die Tür klopft. Lenz tritt mit vorwärts gebogenem Körper und gebeugten Kopf herein. Das Kleid ist mit Asche bestreut. Er hält. den linken Arm mit der rechten Hand. Lenz sagt zu Oberlin: “Ich habe meinen Arm verrenkt, weil ich mich aus dem Fenster heruntergestürzt habe. Niemand hat mich gesehen, und ich will es niemand sagen.”
Oberlin erschreckt. Jedoch sagt er nichts. Zugleich schreibt er an den Schulmeister Sebastian Scheidecker von Bellefosse. Er bittet ihn um einen Gefallen: nach Waldbach zu kommen und Lenz Gesellschaft zu leisten. Dann geht er weg.
Scheidecker kommt. Lenz hat ihn mehrmals gesehen. Der Schulmeister befolgt die Anweisungen der Notiz Oberlins und sagt zu Lenz: “Ich will mit Oberlin sprechen.” Oberlin ist nicht mehr in Waldbach, das weiß Scheidecker schon. So versucht er zu gehen, aber Lenz bittet ihn zu bleiben.
Lenz schlägt einen Spaziergang nach Fouday vor. Dort besucht er das Grab des toten Kindes, Friederike. Er kußt die Erde des Grabes und scheint zu beten. Plötzlich reißt er etwas von dem Kranz des Grabes ab und behält es als Andenken. Lenz und Scheidecker gehen nach Waldbach zurück. Dann gehen sie wieder nach Fouday, Scheidecker begleitet ihn immer.
Bald danach geht Lenz langsamer. Er klagt über eine große Schwäche in seinen Gliedern. Dann läuft er mit verzweifelnder Schnelligkeit. Das Tal erschreckt ihn, es ist sehr eng. Er stößt an alles. Ein Gefühl von Angst befällt ihn.
Endlich wird Lenz sein Begleiter lästig. Er will seine Absicht erraten und sucht ein Mittel, ihn zu entfernen. Scheidecker scheint ihm nachzugeben. Jedoch benachrichtigt er seinen Bruder von der Gefahr. Nun hat Lenz zwei Aufseher statt einen.
Lenz geht herum. Endlich geht er nach Waldbach zurück. Sie sind nahe am Dorf, aber plötzlich geht er wie ein Blitz wieder nach Fouday. Die zwei Männer verfolgen ihm. Sie suchen ihn in Fouday. Da kommen zwei Geschäftsmänner. Sie sagen ihnen: “Man hat einen Fremden in einem Haus im Tal angebunden. Sie halten ihn für einen Mörder, aber er kann kein Verbrecher sein.”
Schidecker und sein Bruder gehen zu diesem Haus. Sie finden Lenz angebunden. Er hat von eine Jungen gebeten ihn anzubinden. Der Junge hat sich geweigert, ihn anzubinden. Dann ist Lenz heftig geworden, und endlich hat ihn der Junge angebunden. Scheidecker und sein Bruder binden ihn los und bringen ihn glücklich nach Waldbach.
Indessen ist Oberlin mit seiner Frau zurückgekommen. Lenz sieht verwirrt aus. Alle sind liebreich und freundlich zu ihm, deshalb bekommt er wieder gute Stimmung. Sein Gesicht verändert sich, und er dankt seinen beiden Begleitern freundlich und zärtlich.
Der Abend geht ruhig herum. Oberlin bittet ihm inständig: “Baden Sie nich mehr im Wasserbecken. Bleiben Sie ruhig im Bett der ganzen Nacht. Wenn Sie nicht schlafen können, unterhalten Sie sich mit Gott.” Lenz verspricht’s, und so tut er es die folgende Nacht. Die Mägde hören ihn fast die ganze Nacht hindurch beten.
Lenz findet keine Ruhe
Den folgenden Morgen kommt er mit vergnügter Miene in Oberlins Zimmer. Sie sprechen über verschiedene Sachen. Dann sagt er freundlich: “Liebe Herr Pfarrer, die Magd ist gestorben. Ja, sie ist gestorben.. der Engel!” “Woher wissen Sie das?” “Hieroglyphen, Hieroglyphen!” Und dann schaut er zum Himmel und wiederholt: “Ja, tot… Hieroglyphen!”
Seitdem ist es nichts weiter aus ihm zu bringen. Er setzt sich, schreibt einige Briefe und gibt sie sodann Oberlin. Er sagt ihm: “Setzten Sie einige Zeilen dazu, Herr Pfarrer.”
Sein Zustand ist immer trostloser geworden. Lenz hat viel Ruhe neben Oberlin erreicht, auch das Tal hat ihm viel Ruhe gegeben. Aber diese Stille ist weg. Er fühlt keinen Haß, keine Liebe, keine Hoffnung, nur eine schreckliche Leere. Er fühlt auch eine folternde Unruhe. Er hat nichts.
Er tut nichts mit ihnen die Sachen mit Bewußtsein. Eine innerliche Kraft zwingt ihn zu bewegen. Er ist entsetzlich einsam, redet laut mit sich selbst und erschreckt wieder. Die Angst befällt ihn. Machmal sitzt er bei den Leuten des Tals und redet sorglos mit ihnen. Plötzlich faßt er die Personen am Arm. Erst nach und nach kommt er wieder zu sich.
Lenz verwechselt alle Sachen und verändert die Dinge in seiner Umgebung mit seinem Verstand: die Natur, die Menschen… Das amüsiert ihn. Er stellt die Häuser auf die Dächer, kleidet die Menschen an und aus und sinnt die wahnwitzigsten Possen aus.
Lenz beherrscht den Willen der Tiere
Einmal sitzt Lenz neben Oberlin. Die Katze der Familie liegt gegenüber auf einem Stuhl. Plötzlich richtig Lenz die Augen starr auf sie. Da gleitet er langsam vom Stuhl, und das Tier ebenfalls. Der Blick Lenzen scheint, die Katze verzaubert zu haben. Eine ungeheure Angst befällt sie, ihre Haare sträuben sich. Lenz gibt die gleichen Tönen wie die Katze ab. Er hat sein Gesicht fürchterlich entstellt. Sie stürzen beide aufeinander los, verzweifelt. Endlich erhebt sich Madame Oberlin und trennt sie. Dann fühlt Lenz sich wieder tief beschämt.
Die Anfälle der Nächte steigern sich und sind jedes mal schrecklicher. Lenz schläft nur mit größen Mühe ein. Dann gerät er zwischen Schlaf und Wachen in einen entsetzlichen Zustand. Der Wahnsinn packt ihn. Er wacht mit fürchterlichem Schreien auf, in Schweiß gebadet. Erst nach und nach kommt er wieder zu sich. Danach kann er nur einfache Dingen machen. Er redet, sagt Gedichte her..
Auch bei Tage bekommt er diese Anfälle, dann sie sind noch schrecklicher. Seitdem hat ihn die Helle des Tages davor bewahrt. Er fühlt, er existiert allein: die Welt besteht nur in seiner Einbildung, es gibt nichts weiters als er. Er übersieht mit rasender Schnelligkeit sein Leben. Da sagt er: “Konsequent, konsequent.” Und wenn jemand etwas spricht, Lenz sagt: “Inkonsequent, inkonsequent.” Er glaubt nur an sich selbst.
Lenz sucht die Hilfe von Oberlin weiter
Der Instinkt der Selbsterhaltung hetzt ihn. Er stürzt sich in Oberlins Arme und klammert sich an ihn. Er braucht seine Hilfe, da Oberlin das einzige lebendige Wesen für Lenz ist.
Allmählich bringen ihn Oberlins Worte dann zu sich. Er liegt auf den Knien von Oberlin und legt seine Hände in die Händen Oberlins. Sein Gesicht ist mit kalter Schweiß bedeckt, un sein ganzer Körper zittert.
Oberlin empfindet ein unendliches Mitleid. Seine Familie liegt auf den Knien und betet für den Unglücklichen. Die Mägde fliehen, da sie lenz für einen Besessenen halten. Endlich wird Lenz ruhiger. Dann ist er wie ein Kind. Er weint und empfindet ein tiefes Mitleid mit sich selbst. Das sind seine seligsten Augenblicke.
Oberlin spricht ihm von Gott. Lenz wendet sich ruhig los und sieht ihn mit einem Ausdruck des Leidens. Endlich sagt er: “Aber ich, sehen Sie, ich will Gott sein. Ich ertrage das Leiden nicht. Ich will alle die Menschen retten. Ich will nichts Weiter als Ruhe, um schlafen zu können.” Oberlin sagt: “Dies ist eine Profanation”, und Lenz schüttelt trostlos mit dem Kopf.
Indes macht er fortwährend Selbstmordversuche. Aber die Hälfte von diesen Versuchen sind nicht ganz ernst. Er wünscht nicht mehr zu sterben, da er vom Tod weder Ruhe noch Hoffnung erwartet. Er will nur physischen Schmerz fühlen, weil der Schmerz ihm das Bewußtsein zurückbringt. Oft schlägt er mit den Kopf an die Wand oder verursacht sich sonst einen heftigen physischen Schmerz.
Am achten morgen bleibt er im Bett. Oberlin geht in sein Zimmer hinauf. Lenz liegt fast nackt auf dem Bett und bewegt sich heftig. Oberlin will ihn zudecken. Lenz klagt: “Alles ist so schwer! Ich glaube an gar nichts, Sie können gehen. Jetzt empfinde ich die ungeheure Schwere der Luft.” Oberlin spricht ihm Mut zu, aber er bleibt beängstigt und verbringt den ganzen Tag so. Er nimmt auch keine Nahrung zu sich.
Oberlin entdeckt die Herkunft der Angst Lenzen
Gegen Abend wird Oberlin gerufen. Er muß einem Kranken in Bellefosse besuchen. Es ist gelindes Wetter und der Mond scheint. Dann kehrt Oberlin nach Waldbach zurück und trifft Lenz auf dem Weg. Er erscheint ganz vernünftig und spricht ruhig und freundlich mit Oberlin. Der bittet ihn: “Gehen Sie nicht zu weit web.” Lenz verspricht’s.
Oberlin geht. Plötzlich dreht Lenz sich um und tritt wieder ganz nahe zu Oberlin. Er sagt ihm rash: “Sehen Sie, Herr Pfarrer, ich will das nicht mehr hören.” “Was denn, mein Lieber?” “Hören Sie es nichts? Hören Sie denn nicht diese entsetzliche Stimme? Diese Stimme schreit um den ganzen Horizon. Die Leute nennen sie Stille. Ich höre sie seit meiner Ankunf im Tal. Ich höre sie immer. Sie läßt mich nicht schlafen. Ja. Herr Pfarrer, ich will nur wieder einmal schlafen können!” Dann geht er kopfschüttelnd weiter weg.
Oberlin geht zurück nach Waldbach. Er will ihm jemand nachschicken, da ihm nich allein lassen will. Plötzlich hört er ihn, als Lenz auf sein Zimmer geht. Einen Augenblick darauf platzt etwas im Hof mit einem starken Schall. Lenz ist vom Dach der Schule gesprungen. Die Kindsmagd kommt herein wie ein Tote…
Lenz fährt nach seien Stadt zurück
Lenz sitzt mit kalter Resignation im Wagen. Sie fahren aus dem Tal nach Western. Sie fahren durchs Gebirge. Mehrmals gerät der Wagen in Gefahr wegen des schlechten Zustandes der Wege, aber Lenz bleibt ganz ruhig sitzen, da die Gefahr ihm vollkommen gleichgültig ist. In diesem Zustand legt er den Weg zurück.
Gegen Abend befinden sie sich im Rheintal und entfernen sie sich allmählich vom Gebirge. Über die Ebene hin am Füß des Gebirges liegt die bläulich, schimmernde Stadt. Es wird finster, als sich Straßburg näheren. Der Vollmond steht hoch, und alle die Gegenstände sind ihm fern, dunkel. Nur der Berg in der Nähe bildet eine scharfe Linie.
Lenz starrt ruhig hinaus und hat keinen Gedanken. Nur wächst eine dumpfe Angst in ihm. Die Gegenstände verlieren sich in der Finsternis. Da mußen sie einkehren, und er macht wieder mehrere Selbstmordversuche, aber er ist scharf bewacht.
Am folgenden Morgen ist es bewölkt. Es regnet. Sie treffen in Straßburg ein. Er scheint ganz vernünftig zu sein und spricht mit den Leuten. Er tritt wie die anderen auf, aber es ist eine entsetzliche Leere in ihm. Er fühlt diese Angst nicht mehr. Das Leben ist ihm eine notwendige Last.
So lebt er hin…
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